Vor einem Jahr hat der Überfall Russlands die Menschen in der Ukraine brutal aus dem Schlaf und gleichzeitig ihrem gewohnten Leben gerissen. Und bis heute zerrüttet und zerstört die russische Aggression ungebrochen menschliche Existenzen und ganze Lebensräume. Millionen haben bereits während der ersten Tage der Invasion die Flucht ergriffen und viele davon führte ihr Weg auch in beziehungsweise durch Slowakei. Das zentrale Tor in das westliche Nachbarland ist der Grenzübergang zwischen Vyšné Nemecké und Uschhorod, der westlichsten Stadt der Ukraine. Dort kamen vor allem in den ersten Wochen tagtäglich tausende Menschen mit Evakuierungszügen aus den Metropolen Kyiv und Kharkiv, aber auch Odessa und dem Donbas an. Auch ich selbst habe diesen Grenzübergang bereits unzählige Male passiert. Über fast zwanzig Jahre durfte ich während vieler Reisen die Ukraine und ihre Menschen mit ihrer herzlichen Art und berührenden Gastfreundschaft kennenlernen. Daraus entstanden enge Beziehungen, weshalb mich am 24. Februar letzten Jahres zuerst die Sorge um meine Freundinnen und Freunde im Nachbarland bewegte. Ich versuchte, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und versicherte ihnen, dass sie bei uns in Bratislava auf jeden Fall eine sichere Bleibe hätten. Jedoch hatte ich das Gefühl, über die Distanz nicht genug für die Menschen in der Ukraine tun zu können. So kam es, dass ich mich nach einer Woche auf den Weg Richtung ukrainische Grenze machte. Ich hatte bereits zuvor von Freunden erfahren, dass an den Grenzübergängen dringend Freiwillige gebraucht werden, und mich bei einer der dort vertretenen Hilfsorganisationen gemeldet. Also nahm ich mir zwei Wochen Urlaub, stellte in unserer Rundfunkpyramide noch schnell meine nächste Sendung zusammen, und zog dann los. Meine Reise führte mich per Anhalter 500 Kilometer durch die Nacht bis ans andere Ende des Landes, wo ich bereits am nächsten Morgen meine erste Schicht beginnen sollte.
So stand ich am 4. März 2022 um sieben Uhr früh am Grenzübergang Vyšné Nemecké. Wo bei meiner letzten Durchreise noch überwiegend Beschaulichkeit herrschte, versuchten nun unzählige Menschen einen Ausnahmezustand zu bewältigen. Binnen weniger Tage war hier eine Zeltstadt entstanden, in der den ankommenden Geflüchteten eine Erstversorgung geboten wurde, deren Teil ich für die die nächsten Wochen werden sollte. Neben Verpflegung, einem Platz zum Aufwärmen und Erster Hilfe stand dabei auch die Vermittlung menschlicher Nähe im Mittelpunkt. Denn beim ersten Kontakt ging es vor allem auch darum, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sie erstmal in Sicherheit sind. Schließlich verbrachten viele in der Zeltstadt ihre erste Nacht fern von Sirenengeheul und ständiger Bedrohung.
Den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die ich an der Grenze getroffen habe, möchte ich dieses Hörbild widmen. Es soll uns auch vom zumindest kurz gelebten Traum von einer besseren Welt erzählen. Etwa wenn sich Menschen auch aus Österreich, Deutschland und der Schweiz auf den Weg in die Ostslowakei machen, um Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen.
Unter Freiwilligen an der ukrainischen Grenze
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