Oral History-Forschung zum Sozialismus

Oral History-Forschung zum Sozialismus

Seit mehr als einem Jahr untersuchen Wissenschaftler der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SAV) das totalitäre Regime mithilfe der Oral History-Methode. Auf Basis der Aussagen von Zeitzeugen bewerten sie, wie das Leben im Sozialismus ihre heutigen Einstellungen beeinflusst hatte. Ein Bestandteil des Projektes mit dem Titel „Zeitgenössische Bilder des Sozialismus" ist auch ein Fotowettbewerb für Mittelschüler, der ein Jahr laufen wird.

Die Forschung konzentriert sich auf Menschen, die während des Sozialismus ein "normales" Erwachsenenleben führten. Monika Vrzgulová vom Institut für Ethnologie und Sozialanthropologie der SAV erklärt:

"Es interessiert uns, wie sich unsere Zeitgenossen, die zwischen 1960 und 1989 erwachsen waren, heute an ihr Leben erinnern, sei es das Arbeits- oder Familienleben, oder aber Freizeitaktivitäten. Wir sprechen verschiedene Menschen an und machen ein Interview mit all jenen, die zum Erzählen bereit sind. Das erste Gespräch ist gerade das umfassendste und biografisch ausgerichtet."

In der ersten Phase möchte man mindestens hundert Geschichten ansammeln. Experten wollen wissen, wie es Menschen geschafft haben, im Sozialismus zu funktionieren, und was sie aus dieser Zeit in die Gegenwart mitgenommen haben. Ľubica Voľanská vom Institut für Ethnologie und Sozialanthropologie der Slowakischen Akademie der Wissenschaften:

„Wir wollen feststellen, auf welche Weise sich die Erfahrung aus dem Sozialismus in unserer aktuellen Situation widerspiegelt, wie es heute die Menschen wahrnehmen, was davon sie an ihre Kinder weiterleiten und wie bestimmte Praktiken, die damals ganz üblich waren, für die Gegenwart erneut wichtig werden."

Des Weiteren erklärt Voľanská, warum das Projekt einzigartig ist:

"Es handelt sich um Geschichten von ganz gewöhnlichen Menschen. Das heißt, dass es nicht die Schuldigen und Dissidenten oder irgendwelche besonderen Gruppen von Bürgern waren. Es sind zum Beispiel Menschen, die damals einfach passiv zugeschaut haben oder solche, die nostalgisch an den Sozialismus zurückdenken, weil sie damals eine bestimmte Sicherheit hatten, die sie jedoch bereitwillig gegen eine gewisse Unfreiheit austauschten."

Die Wissenschaftler wollen auch Schüler und Studenten in die Forschung einbeziehen. Diese können sich zu einem landesweiten Wettbewerb mit dem Titel "Foto mit Story" anmelden. Sie sollen sich auf Fotos aus dem Leben ihrer Familie konzentrieren und jene Geschichten identifizieren, die die Familien auch nach Beendigung der sozialistischen Ära weiterleben. Der Wettbewerb wird parallel auch in Tschechien verlaufen und die Ergebnisse sollen am 17. November 2019 bewertet werden.

Ziel der Forschung ist es, Material vorzubereiten und Methoden zu entwickeln, wie man mit diesen Themen in den Schulen arbeiten kann. Laut Voľanská handle es sich um eine wichtige Botschaft, die Licht in die verzerrten Vorstellungen von Jugendlichen über die totalitäre Epoche bringen soll.

Am Projekt beteiligen sich neben dem Institut für Ethnologie und Sozialanthropologie der SAV auch Experten der Comenius-Universität in Bratislava, der Matej-Bel-Universität in Banská Bystrica und der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität in Košice. Es soll bis 2021 laufen.

Quelle: TASR

Ľubica Tvarožková, Foto: TASR

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